Dem Ruf des Dharma folgen

गच्छामि सर्वोत्तमं धर्मं

Gacchāmi sarvottamaṁ dharmam – Ich folge dem höchsten Dharma

Vor langer Zeit hatte ich einen Traum: Ich stieg langsam eine prachtvolle, sich windende Treppe hinauf, eingehüllt in strahlendes Licht. Ich erinnere mich noch heute an das Gefühl von Ehrfurcht und Staunen. Dieser Traum ist geblieben – als Symbol für etwas Höheres, etwas Heiliges.

Heute ruft mich das Leben, eine andere Art von Treppe zu gehen.

Eigentlich sollte dieses Jahr meiner Entwicklung in Deutschland gewidmet sein – Yogakurse, Fitnesstrainer-Ausbildung, Stabilität. Doch das Leben hatte andere Pläne. Die Gesundheit meiner Mutter in Malaysia hat sich verschlechtert, und ich musste die schwierige Entscheidung treffen, zurückzukehren und mich um sie zu kümmern.

Es war nicht mein Plan. Ich war wütend, frustriert, voller Widerstand. Ich wollte keinen weiteren Flug, keine Unterbrechung. Ich gab der Situation die Schuld – und auch meiner Mutter, weil sie krank und alt geworden ist.

Doch dann erinnerte ich mich an etwas Wesentliches: das Dharma.

Im Yoga bedeutet Dharma nicht nur ein „großes spirituelles Gesetz“, sondern auch unsere Aufgabe im gegenwärtigen Moment – die Pflicht, die das Leben uns hier und jetzt auferlegt. Manchmal entspricht diese Aufgabe unseren Wünschen, oft aber auch nicht. Dharma ist der Weg, den wir gehen sollen, selbst wenn er uns herausfordert oder unbequem ist.

Und genau das ist jetzt mein Dharma:
Nicht der Dharma, den ich bewusst gewählt habe, sondern der, der mich gewählt hat. Die Pflicht, für meine Mutter zu sorgen. Der Weg des Mitgefühls. Die Treppe, die ich gehen muss – auch wenn sie durch Unsicherheit und Angst führt.

Als ich mein Ticket buchte, veränderte sich etwas in mir. Ich spürte Erleichterung. Ich begann mich sogar zu freuen, meine Familie wiederzusehen. Die Sorgen bleiben, weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Aber ich lerne, meine Erwartungen loszulassen und dem gegenwärtigen Moment zu vertrauen.

Dieses Bild – eine Treppe im Licht – trägt nun ein Mantra, das meine Reise begleitet:

गच्छामि सर्वोत्तमं धर्मं
Gacchāmi sarvottamaṁ dharmam – Ich folge dem höchsten Dharma.

Möge es uns alle daran erinnern: Der höchste Weg ist nicht immer der, den wir geplant haben – sondern der, den wir mit Liebe gehen.

Mit Liebe,
Ida Ryati